Demokratie aktiv lernen!

20. Jun 2024

Katrin Himmler liest aus ihrem Buch "Die Brüder Himmler".

Wir müssen Demokratie noch aktiver lernen!

Gerade im derzeitigen Wahlverhalten vieler Bürger sieht Katrin Himmler Parallelen zu den Anfängen der düsteren Geschichte Deutschlands. „Auch vor der Machtergreifung Hitlers haben die Menschen geglaubt, dass die Nazis ihnen bei ihren Problemen helfen können“, erläutert sie den Schülerinnen und Schülern des BKaE. Auch damals habe man, ebenso wie heute die rechtsextremen Parteien, die Ängste der Menschen geschürt, um mit vermeintlich simplen Lösungen Wählerstimmen generieren zu können. Ihr Fazit: Nur Aufklärung helfe. Demokratie sei kein Zustand, auf dem man sich ausruhen könne. „Da sind alle gefordert, sich aktiv um Demokratie zu kümmern!“

In Himmlers Vortrag geht es zunächst um ihre eigene Familiengeschichte. Schon als Schülerin musste sie sich damit auseinandersetzen, dass ihr Großonkel Heinrich, Reichsführer der SS und damit einer der führenden Nazis, verantwortlich für etliche Gräueltaten im Nazideutschland gewesen ist. Lange galt dieser als schwarzes Schaf der Familie, von seinen beiden Brüdern und auch den Eltern habe es geheißen, dass sie eher unpolitisch gewesen seien. „Meine Familie hat sich immer streng von Heinrich distanziert, um zu signalisieren, dass sie seine Denkweise nicht vertreten“ sagt Katrin Himmler. Erst bei ihrer Recherche sei rausgekommen, dass fast jeder aus dem Teil der Familie mit den rechtsextremen Denkweisen sympathisiert habe, erklärt die Autorin des Buches „Die Brüder Himmler“. Diese Erkenntnis sei erschreckend und verstörend gewesen.

Vor allem die enge Bindung zur Großmutter musste sie hinterfragen, als sie Briefe von ihr an einen rechtsextremen Kriegsverbrecher gefunden habe. Dieser sei von ihr noch bis Anfang 1951 mit Briefen und Paketen, die sie ins Gefängnis schicken lassen hat, unterstützt worden. „Das passte nicht zu dem Bild der liebevollen Oma, das ich bis dahin hatte.“ Katrin Himmler erklärt, dass sie zunächst gar kein Buch schreiben, sondern nur ihre Familiengeschichte aufarbeiten wollte. „Bis ich dann gemerkt habe, dass der Bedarf sehr groß ist, das aufzuarbeiten, was in meiner Familie gerne unter den Teppich gekehrt wurde.“ Deutlich wurde ihr dann, dass man nicht nur in der Himmler-Familie, sondern auch in anderen deutschen Familien nach 1945 mit der (Mit-)Verantwortung an den NS-Verbrechen ähnlich bedeckt umging. Und dass diese Verantwortung oftmals verschwiegen, verharmlost und zum Teil noch bis heute geleugnet werde. Deutlich wird auch, welche Auswirkungen dieses familiäre Schweigen auf die nachkommenden Generationen hat. Selbst ihrem Vater und ihrer Tante sei es noch nicht möglich gewesen, diese Aufarbeitung zu leisten, da sie „zu nah an dem Problem saßen“, so Katrin Himmler.

Sie sei nie in der Schule auf ihren Namen angesprochen worden, sagt sie. Erst als der Name Himmler im Geschichtsunterricht gefallen sei, habe ein Mitschüler gefragt, ob sie mit ihm verwandt sei, da sie die gleichen Namen tragen. „Meine Lehrerin hat da aber schnell abgeblockt“, erzählt sie. Als Kind habe sie den Namen loswerden wollen, dann aber gemerkt, dass es nichts ändern würde, sie bliebe ja trotzdem mit dem schrecklichen Mann verwandt. Ihr Offenheit kommt bei den Schülerinnen und Schülern gut an. Je länger sie redet, desto ruhiger wird es im Saal. Intensiv und konzentriert hören die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende hin zu. Vorträge dieser Art sieht Himmler als notwendige Aufklärungsarbeit. „Wir müssen uns die Geschichte bewusst machen“, erklärt die Politikwissenschaftlerin, der es wichtig sei, das „Warum?“ in den Blick zu nehmen. „Wir müssen immer kritisch denken und alles hinterfragen. Und wir dürfen nicht alle gegen etwas sein, sondern müssen uns bewusst machen, wofür wir einstehen wollen.“